Wunsch nach Sicherheit bleibt

Jutta Allmendinger

25.10.2016 Die IG Metall im Interview mit Prof. Jutta Allmendinger

Unabhängig davon, wie sich Technik oder Globalisierung entwickelt, muss Arbeit für die IG Metall auch in Zukunft drei Ansprüchen gerecht werden: Sie muss selbstbestimmt, sicher und gerecht sein. Was Tarifpartner und Politik tun müssen, damit der Sozialstaat dieser Herausforderung gerecht wird, will die IG Metall auf ihrem Sozialstaatskongress nächste Woche in Berlin diskutieren, unter anderem mit Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Im Interview sagt sie, was für sie zu guter Arbeit gehört.

Frau Allmendinger, wie sieht für Sie gute Arbeit aus?
Jutta Allmendinger: Gute Arbeit bedeutet für mich, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, mit angemessener und vor allem ausreichender Entlohnung. Gute Arbeit ist sinnvolle Arbeit, sie bietet Mitspracherecht und Entwicklungschancen. Hinzu kommt die Möglichkeit, Arbeitszeit je nach Lebenssituation variabel gestalten zu können. Wichtig ist auch ein von allen getragenes Verständnis, dass Menschen ein Leben außerhalb der Arbeit haben, denn nicht zuletzt prägt Kollegialität das tägliche Miteinander im Betrieb.

Und wie sieht die Realität in den Betrieben aus?
Allmendinger: In manchen Branchen, in großen Unternehmen und bei Stammbelegschaften sind wir bei guter Arbeit schon weit gekommen.
Für sehr viele Beschäftigte bleibt diese Welt aber ein Traum. Diese Spaltung des Arbeitsmarkts fordert uns. Wir müssen viel mehr Kraft darauf verwenden, allen Menschen gute Arbeit zu bieten.

Was ändert sich in der Arbeitswelt? Was ändert sich nicht?
Allmendinger: Menschen wollen erwerbstätig sein sowie sichere und faire Arbeitsbedingungen haben, junge Berufstätige noch mehr als alle anderen. Das ändert sich nicht. Ändern werden sich die Qualifikationsanforderungen über den Erwerbsverlauf und die Gewichtung der Branchen. Dienstleistungen und vor allem Pflegeberufe werden stark zunehmen. Gerade die Digitalisierung wird sehr viel verändern. Einige Berufe wird es bald nicht mehr geben, neue Berufsbilder werden entstehen. Auch die Selbstverantwortung der Beschäftigten nimmt zu. Um sie damit nicht zu überfordern, brauchen sie spezifische Kompetenzen, die wir sehr früh ausbilden müssen.

... und Zeit, um sich zu qualifizieren?
Allmendinger: Ja, und das müssen sie auch während ihrer Arbeitszeit tun können. Ohne Freistellung bekämen sie nur ein weiteres Vereinbarkeitsproblem. Wer Familie hat, kann sich oft nicht nach Feierabend für seinen Beruf weiterbilden.

Welche Rolle spielen Betriebsräte und Gewerkschaften?
Allmendinger: Gewerkschaften, Betriebsräte, Mitbestimmung und eine starke Basis im Betrieb sind essenziell wichtig. Studien zeigen: Je weniger Tarifbindung und Mitbestimmung, desto schlechter sind die Arbeitsbedingungen und desto geringer die Entgelte.

Letzte Änderung: 24.10.2016