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25.01.2016 Korrekte Betriebsratsbeschlüsse treffen - worauf ist zu achten?

Fehler bei der Beschlussfassung können fatale Folgen haben, weil sie dazu führen, dass der Beschluss nicht gilt, unabhängig vom Inhalt. Auf diese Tatsache sind die Arbeitgeber und ihre Rechtsvertreter jetzt auch aufmerksam geworden und rügen vermehrt die ordnungsgemäße Beschlussfassung. Der DGB Rechtsschutz rät daher, auf eine ordnungsgemäße Einladung, Tagesordnung, Beschlussfassung und Protokollierung zu achten.
Der Betriebsrat entscheidet, einer Einstellung nicht zuzustimmen, und hat gute und stichhaltige Gründe. Wie fatal, wenn sich später im Prozess herausstellt, dass die Zustimmungsverweigerung nicht auf einem korrekten Beschluss des Betriebsrates beruhte. Dann nutzen die besten Verweigerungsgründe nichts mehr. Der Arbeitgeber darf einstellen. Es ist also wichtig, alle Formalitäten für einen wirksamen Beschluss einzuhalten.

Alle Betriebsratsmitglieder und eventuell auch Ersatzmitglieder einladen
Bereits die Einladung muss korrekt sein. Sie muss an alle Betriebsratsmitglieder gehen. Ist ein Mitglied verhindert, muss das nächste Ersatzmitglied eingeladen werden. Das muss rechtzeitig geschehen. Eine bestimmte gesetzliche Frist ist nicht vorgegeben. Entscheidend ist, dass das Betriebsratsmitglied genügend Zeit hat, sich auf die Sitzung vorzubereiten. Es empfiehlt sich daher, die Frist für die Einladung in einer Geschäftsordnung festzuschreiben, die der Betriebsrat beschließen kann.

Die Einladung kann auch kurzfristig erfolgen. Erkrankt ein Betriebsratsmitglied kurz vor der Sitzung, kann es sogar ausnahmsweise unmöglich sein, ein Ersatzmitglied noch zu laden (Siehe Bundesarbeitsgericht (BAG) 18.1.2006, 7 ABR 25/05).

Die Einladung muss auch nicht unbedingt schriftlich sein. Das empfiehlt sich aber, damit im Streitfall das Einladungsschreiben als Nachweis dienen kann. Ausreichend ist auch die Übersendung per Mail.

Zu einer ordentlichen, immer regelmäßig an einem bestimmten Tag stattfindenden Betriebsratssitzung muss nicht gesondert eingeladen werden. Ist allerdings ein Betriebsratsmitglied verhindert, muss der Betriebsratsvorsitzende das Ersatzmitglied einladen. Anders sieht das bei einer außerordentlichen Betriebsratssitzung aus. Dazu muss eine Einladung an alle Betriebsratsmitglieder gegebenenfalls auch Ersatzmitglieder ergehen.

Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern
Ein Ersatzmitglied ist nur dann einzuladen, wenn das reguläre Betriebsratsmitglied verhindert ist. Als Verhinderungsgründe gelten zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub.
Andererseits ist ein Betriebsratsmitglied nicht gehindert, während der Krankheit an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen. Die Arbeitsunfähigkeit bezieht sich nur auf die Arbeitsleistung. Sofern das Betriebsratsmitglied nicht die Genesung gefährdet, darf es trotz Krankheit an der Sitzung teilnehmen.

Kein Verhinderungsfall liegt vor, wenn das Betriebsratsmitglied wegen "zu viel Arbeit" nicht an der Sitzung teilnehmen kann. Die Betriebsratstätigkeit geht der Arbeitsleistung vor, so dass der Arbeitsanfall unerheblich ist.

Es darf nur das jeweils zuständige Ersatzmitglied geladen werden. In der Regel ist dies das auf der Liste nachfolgende, wobei Listenzugehörigkeit und Quote zu beachten sind.

Tagesordnung der Einladung beifügen
Der Einladung muss eine Tagesordnung beigefügt werden. Das ist erforderlich, damit sich die Betriebsratsmitglieder darauf einstellen und vorbereiten können, welche Angelegenheiten in der Sitzung behandelt werden. Damit die auf der Betriebsratssitzung getroffenen Beschlüsse wirksam sind, ist es sehr wichtig, dass die Angelegenheit, über die ein Beschluss getroffen wird, auch auf der an die Betriebsratsmitglieder verschickten Tagesordnung erscheint.

Die Tagesordnungspunkte müssen so konkret wie möglich gefasst sein. Das bloße Schlagwort "Fortbildung" oder "Kündigung" reicht nicht aus. Vielmehr muss es etwa heißen "Teilnahme der Betriebsratsmitglieder Schmidt, Ute und Müller, Michael an der Fortbildungsveranstaltung "Grundlagen der Betriebsratsarbeit" vom 21. - 25.01.2016 in Berlin" oder "Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters Maier, Herbert wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot". Unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" dürfen keine Beschlüsse gefasst werden, da für die geladenen Betriebsratsmitglieder nicht ersichtlich ist, dass und welche Beschlüsse gefasst werden sollen.

Betriebsrat muss beschlussfähig sein
Damit ein auf der Betriebsratssitzung getroffener Beschluss wirksam ist, muss mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder einschließlich Ersatzmitglieder an der Abstimmung teilnehmen. Da der Betriebsrat aus einer ungeraden Zahl besteht, ist faktisch eine Mehrheit erforderlich. Also: Bei einem siebenköpfigigen Betriebsrat müssen es mindestens vier Betriebsratsmitglieder sein. Es reicht für die Beschlussfähigkeit nicht aus, dass die Mitglieder nur anwesend sind; eine Mehrheit muss sich an der Abstimmung über einen Beschluss auch beteiligen, also seine Stimme abgeben, auch wenn es sich nur enthält. Sagt ein Betriebsratsmitglied also: ich nehme an der Abstimmung nicht teil, zählt es nicht mit.

Protokoll der Betriebsratssitzung und Anwesenheitsliste
Ein in der Betriebsratssitzung gefasster Beschluss ist zwar auch wirksam, wenn kein Protokoll in der Sitzung geführt wird. Für den Nachweis, dass der Beschluss korrekt zustande gekommen ist, ist das Protokoll aber wichtig. Ihm kommt nach der Rechtsprechung des BAG nämlich ein hoher Beweiswert dafür zu, dass der Inhalt des Protokolls auch richtig ist (BAG 30.9.2014, 1 ABR 32/13). In das Protokoll sollte der Inhalt des gefassten Beschlusses und das konkrete Abstimmungsergebnis aufgenommen werden. Also: Wie viele Ja, Nein-Stimmen und Enthaltungen. Dem Protokoll ist außerdem eine Anwesenheitsliste beizufügen, auf der jedes anwesende Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglied hinter seinem Namen unterschrieben hat.

Abstimmung über den Beschluss
Wird über einen Antrag in der Sitzung abgestimmt, reicht die einfache Mehrheit der anwesenden Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder, damit der Antrag angenommen ist. Beispiel: Es nehmen an der Abstimmung eines siebenköpfigen Betriebsrats sechs Betriebsratsmitglieder teil. Die Betriebsratsvorsitzende stellt den Antrag, der Einstellung von Frau Meyer nicht zuzustimmen. Stimmen mindestens vier anwesende Betriebsratsmitglieder mit "Ja", kommt die Betriebsratsvorsitzende mit ihrem Antrag durch. Enthaltungen zählen wie "Nein" Stimmen. Gibt es zum Beispiel nur drei "Ja" Stimmen, zwei "Nein" Stimmen und eine Enthaltung ist der Antrag abgelehnt. Es liegt nämlich Stimmengleichheit und keine Mehrheit vor.

Wer darf bei Beratung und Abstimmung dabei sein?
Betriebsratssitzungen sind nicht öffentlich. Es nehmen an ihnen also nur Betriebsratsmitglieder und geladene Ersatzmitglieder teil. Darüber hinaus sind auch Schwerbehindertenvertretung und Jugend- und Auszubildendenvertreter, im Einzelfall auch der Arbeitgeber oder ein Gewerkschaftsvertreter teilnahmeberechtigt. Das bedeutet, dass normalerweise Beschäftigte des Betriebes, die keine besonderen Ämter im Betrieb ausüben, nicht an Betriebsratssitzungen teilnehmen können.

Ist ein Betriebsratsmitglied selbst betroffen, weil es um die eigene Entlassung, Versetzung oder Umgruppierung geht, darf es an Beratung und Abstimmung ebenfalls nicht teilnehmen. Das betroffene Betriebsratsmitglied ist in diesem Fall zeitweilig verhindert. Es muss also ein Ersatzmitglied zur Sitzung eingeladen werden. Der mit Beteiligung des betroffenen Betriebsratsmitglieds gefasste Beschluss ist nach der Rechtsprechung des BAG schon deshalb unwirksam, weil zur Betriebsratssitzung nicht korrekt eingeladen worden ist (BAG 3.8.1999, 1 ABR 30/98).

Einwände gegen Teilnahme Nicht-Berechtigter
Aber wie ist es zu werten, wenn Personen an der Sitzung teilnehmen, die hierzu nicht befugt sind, etwa weil sie Ersatzmitglied sind und keine Verhinderung vorliegt oder weil sie überhaupt nicht berechtigt sind, an Betriebsratssitzungen teilzunehmen? Das BAG hat sich kürzlich mit dem Fall beschäftigt, in dem zwei Ersatzmitglieder zusätzlich zu den regulären Betriebsratsmitgliedern bei der Beratung und Abstimmung über 72 Umgruppierungen in der Sitzung anwesend waren (BAG 30.9.2014, 1 ABR 32/13). Die Arbeitgeberin hatte gerügt, dass der Beschluss über die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht korrekt war, weil die Ersatzmitglieder dabei waren.

Nach Auffassung des BAG lag zwar ein Verstoß gegen einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz vor, nämlich den, dass Betriebsratssitzungen nicht öffentlich sind. Es entschied aber, dass die in der Sitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder dennoch selbst darüber entscheiden können, ob sie sich durch die Anwesenheit anderer Teilnehmer in ihrem Verhalten beeinträchtigt fühlen. Wenn dies so ist, müssen sie sich in der Sitzung aber auch entsprechend äußern. Beanstandet dagegen kein Betriebsratsmitglied die Anwesenheit Unbefugter, ist der Verstoß nicht so schwerwiegend, dass der in der Sitzung gefasste Beschluss unwirksam ist.

Teilnahme des Arbeitgebervertreters
In diesem Sinne hatte das BAG bereits früher einmal entschieden (BAG 13.6.1996, 2 AZR 745/95), als der Arbeitgebervertreter bei Beratung und Abstimmung anwesend war. Da kein Betriebsratsmitglied den Wunsch geäußert hatte, dass der Vertreter die Sitzung verlässt, war auch hier der Beschluss nach Auffassung der obersten Arbeitsrichter wirksam. Das ist allerdings problematisch, da bei Anwesenheit eines Arbeitgebervertreters sich möglicherweise einzelne Betriebsratsmitglieder nicht trauen, zu verlangen, dass der Arbeitgeber die Sitzung verlassen muss. Zwar sind Arbeitgeber im Einzelfall und, wenn sie eingeladen werden, berechtigt, an der Sitzung teilzunehmen.

Wenn allerdings beraten und abgestimmt wird, sollten sie die Sitzung verlassen. Dafür sollte der Betriebsratsvorsitzende sorgen. Die Abwesenheit des Arbeitgebers bei Beratung und Abstimmung ist dann auch im Protokoll zu vermerken.

Tagesordnung erst in der Betriebsratssitzung
Häufig hat die Rechtsprechung das Problem der fehlenden oder unvollständigen Tagesordnung beim Einladungsschreiben beschäftigt. Es ging um die Frage, ob die Tagesordnung auch noch auf der Betriebsratssitzung festgelegt oder ergänzt werden kann, wenn der/ Betriebsratsvorsitzende den Betriebsratsmitgliedern die Tagesordnung nicht zuvor mitgeteilt hatte. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die in der Betriebsratssitzung erschienenen Mitglieder des Betriebsrats die Tagesordnung auch erst in der Sitzung beschließen oder neue Tagesordnungspunkte aufnehmen.

Voraussetzung ist:

1. Mindestens die Hälfte der gewählten Betriebsratsmitglieder (auch ggf. Ersatzmitglieder) ist anwesend und beteiligt sich an der Abstimmung über die Tagesordnung.
2. Die anwesenden Betriebsratsmitglieder (auch ggf. Ersatzmitglieder) nehmen die Tagesordnung oder deren Ergänzung einstimmig an (BAG 15.4.2014, 1 ABR 2/13; BAG 9.7.2013, 1 ABR 2/13 (A)).
Beispiel: Der siebenköpfige Betriebsrat erscheint mit fünf Betriebsratsmitgliedern. Alle beteiligen sich an der Abstimmung über die Tagesordnung. Das ist eine Mehrheit. Alle fünf Mitglieder stimmen auch für die Tagesordnungspunkte. Dann liegt auch ein einstimmiger Beschluss vor.

Grund für diese Rechtsprechung ist, dass sich kein Betriebsratsmitglied überfahren fühlen kann, wenn alle Betriebsratsmitglieder für die Tagesordnung stimmen, auch wenn es erst in der Sitzung weiß, worum es gehen soll. Denn es hat die Möglichkeit, die Tagesordnung insgesamt oder einzelne Tagesordnungspunkte abzulehnen, wenn es sich erst noch näher mit der Sache befassen will.

Arbeitgeber muss Beschluss rügen
Der Arbeitgeber kann in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat rügen, dass kein ordnungsgemäßer Beschluss vorliegt. Er muss das aber auch tun, wenn er Bedenken hat. Sagt er nichts, klärt das Gericht nicht von sich auf, ob der Beschluss korrekt ist. Allerdings kann der Arbeitgeber auch kurzfristig und erst spät im Prozess, zum Beispielerst, wenn das Verfahren schon im Beschwerdeverfahren beim Landesarbeitsgericht anhängig ist, den Beschluss beanstanden. Und er muss nicht einmal Einzelheiten vortragen, sondern kann sich auf ein pauschales Bestreiten beschränken (BAG 9.12.2003, 1 ABR 44/02). Dann muss das Gericht aufklären und der Betriebsrat muss zu korrekter Einladung und zur Beschlussfassung vortragen, etwa indem es das Einladungsschreiben, die Tagesordnung und das Betriebsratsprotokoll vorlegt.

Beschluss über Einleitung Beschlussverfahren
Will der Betriebsrat ein Beschlussverfahren wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten einleiten, muss er dazu einen Beschluss fassen. Sollen mit der Durchführung des Verfahrens die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH oder einen Rechtsanwalt beauftragt werden, muss er dies ebenfalls beschließen.

Das BAG (18.3.2015, 7 ABR 4/13) hat kürzlich entschieden, dass der Betriebsrat auch einen gesonderten Beschluss fassen muss, wenn er gegen eine Entscheidung ein Rechtsmittel (beispielsweise Beschwerde) einlegen will. Wird das Beschlussverfahren eingeleitet, ohne dass ein ordnungsgemäßer Beschluss gefasst worden ist, sind die im Verfahren gestellten Anträge unzulässig.

Nachholen von Beschlüssen
Ein Beschluss kann nachgeholt werden. Ist eine Stellungnahme des Betriebsrats allerdings fristgebunden, nutzt der später wirksam getroffene Beschluss nichts mehr, wenn die Frist bereits verstrichen ist. Das gilt zum Beispiel bei der Zustimmung zu personellen Maßnahmen, zu denen sich der Betriebsrat innerhalb einer Woche äußern muss. Liegt innerhalb dieser Zeit kein wirksamer Beschluss vor, gilt die Zustimmung als erteilt. Hat der Betriebsratsvorsitzende ein Beschlussverfahren ohne wirksamen Beschluss eingeleitet, kann die Genehmigung dazu auch noch im Nachhinein durch einen ausdrücklichen und korrekten späteren Beschluss erteilt werden (BAG 19.1.2005, 7 AZR 24/04).

Autorin: Dorothee Müller-Wenner,
Rechtsschutzsekretärin beim DGB Rechtsschutz in Frankfurt am Main

Letzte Änderung: 29.01.2016