Energiepolitik

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16.11.2023 Die Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSK)

Auf Grundlage des Pariser Klimaschutzabkommens soll das
Klimaschutzgesetz (KSG) den Schutz vor den Folgen des
Klimawandels gewährleisten und sicherstellen, dass die im
Gesetz definierten Minderungsziele für die Emission von
Treibhausgasen (THG) für 2030 (minus 64% zu 1990), 2040
(minus 88%) und 2045 (THG Neutralität) erreicht werden.
Dazu wurden konkrete jahresscharfe Minderungsziele für
jeden Sektor bis 2030 und für die Gesamtemissionen bis
2040 definiert. Außerdem legt das Gesetz ein Verfahren zur
Einhaltung der Minderungsziele vor: so wurden im ursprünglichen
Gesetz von 2019 die für die jeweiligen Sektoren
überwiegend verantwortlichen Ressorts (etwa das Verkehrsministerium
für den Verkehrssektor) beauftragt, Maßnahmen
zu ergreifen, die geeignet sind, die Minderungsziele zu
erreichen. Die Langfriststrategie mit den Maßnahmen der
einzelnen Ressorts wird dazu im Klimaschutzplan zusammengefasst,
der jährlich fortgeschrieben wird. Dafür
werden die Projektionsberichte des Umweltbundesamtes zu
Rate gezogen, die Aussagen über die Klimawirksamkeit der
einzelnen Maßnahmen treffen. Sollte es nach Ablauf eines
Betrachtungszeitraumes zu einer Diskrepanz zwischen
Annahme und tatsächlicher Klimawirksamkeit kommen,
stellt das der Expertenrat für Klimafragen über seine Überwachungsfunktion fest.
Die Ressorts müssen dann mit sogenannten Sofortprogrammen sektoral nachsteuern.
Das galt in diesem Jahr für den Verkehrs- und den Gebäudesektor,
die ihre Minderungsziele 2022 um fast 10 Mt. (Verkehr) und
4,6 Mt. (Gebäude) verfehlten.

Nach der KSG-Novelle vom Juni 2023 soll es nunmehr nur ein
Klimaschutzprogramm geben, die Sofortprogramme gehen in
diesem auf. Damit wurde auch die sektorenspezifische
Verantwortung für einzelne Ressorts aufgeweicht,
maßgebend ist jetzt eine mehrjährige sektorenübergreifende
Gesamtbetrachtung, wie sie schon im Koalitionsvertrag
vereinbart wurde. Verantwortlich für die Erreichung der
CO2-Ziele ist damit die gesamte Bundesregierung.

Was steht im aktuellen Klimaschutzprogramm?
Entsprechend der Vorgaben des Klimaschutzgesetzes hat
die Bundesregierung im Juni 2023 ein Klimaschutzprogramm
mit ca. 130 Maßnahmen zur Erreichung der Emissionsminderungsziele in allen Sektoren, außer dem Verkehr, vorgelegt. So soll im Energiesektor etwa die Tiefengeothermie
zur Energieversorgung der Industrie gefördert werden, im
Gebäudesektor das Wärmeplanungsgesetz für eine flächen-
deckende Wärmeplanung eingeführt und der Markthochlauf
für Wärmepumpen beschleunigt werden.
Für die Emissionsreduktion im Industriesektor ist die Aufstockung des
Förderprogramms Dekarbonisierung in der Industrie geplant
und im Rahmen der Carbon Management Strategie soll sich
den schwer vermeidbaren Restemissionen in der Grundstoffindustrie gewidmet werden. Außerdem wird der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zusammen mit dem Ziel einer
installierten Elektrolyseleistung von 10 GW bis 2030 genannt.

Auch sektorübergreifende Maßnahmen sind geplant:
Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie soll im nächsten Jahr
finalisiert und die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.
Auch die öffentlichen Vergabeverfahren sollen beschleunigt werden.

Was sagt der Expertenrat für Klimafragen?
Gemäß KSG ist der Expertenrat ein formal unabhängiges Gremium,
das die Aufgabe hat, die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen und Instrumente zu bewerten.
Dazu erstellt er auf Grundlage von Gutachten aus den Ministerien
und dem Projektionsbericht des Umweltbundesamtes (UBA) eine Stellungnahme.
Nach der KSG-Novelle im Juni 2023 hat sich die Betrachtung des Expertenrats geändert: weg von einer ex post Beurteilung der Maßnahmen, hin zu einer
Beurteilung der geplanten Maßnahmen und deren prognostizierten Emissionsminderungen.

Für dieses Jahr bescheinigt der Expertenrat den Maßnahmen
aus dem Klimaschutzprogramm das Potenzial,
die Treibhausgase signifikant zu mindern und die Minderung im
Verhältnis zu den letzten Jahren zu beschleunigen.
In seiner Stellungnahme vom August 2023 stellt er jedoch eine im
Verhältnis zu den im KSG festgelegten Reduktionszielen bestehende Minderungslücke
von 200 bis 300 Mt. CO2 bis 2030 fest.
Diese Lücke betrug laut Projektionsbericht 2021 noch 1100 Mt. CO2.
Die sektorale Verantwortung verteilte sich wie folgt:

- Energiesektor 500 Mt.
- Verkehrssektor 271 Mt.
- Industriesektor 178 Mt.
- Gebäudesektor 152 Mt.

Mit den Maßnahmen aus dem Sofortprogramm 2023 können alle Sektoren diese Lücken nahezu vollständig schließen - außer dem Verkehrssektor.
Das bedeutet eine Reduktion um 80%.
Trotzdem bleibt damit das Ergebnis, dass die
beschlossenen Maßnahmen noch immer nicht ausreichen,
um die im KSG definierten Minderungsziele zu erreichen.
Die Verantwortung trägt zum überwiegenden Teil der
Verkehrssektor, der auch nach den festgelegten Maßnahmen noch für eine bis 2030 kumulierte Emissionslücke von 96 bis 153 Mt. verantwortlich ist.
Der Expertenrat merkt an, dass die Wirkung der Instrumente
von den Ministerien überschätzt gerechnet wurde.
Die reale Minderungslücke könnte also größer sein.

Was sagt die IG Metall?
Die IG Metall hält die im Klimaschutzgesetz verankerte
Verbindlichkeit der Sektor spezifischen Emissionsminderungsziele für richtig. Auch wenn kontinuierliche jahresscharfe Messungen den Raum für die adäquate Betrachtung
von Innovations- und Investitionszyklen über mehrere Jahre
verengen können, da die Emissionsminderungen eher in
Form einer Stufenleiter und nicht immer kontinuierlich
verlaufen, steht die IG Metall zur Klarheit der jährlichen
Minderungsziele und der damit verbundenen ressortspezifischen Verantwortung. Es ist davon auszugehen, dass der Minderungsdruck auch unter neuen Bestimmungen hoch
bleiben wird. Die IG Metall hält es für nötig, im
parlamentarischen Verfahren klare Zuständigkeiten und die
Verantwortung für die Einhaltung der Minderungsziele zu
definieren. Ein Aufschub der zu er-greifenden Maßnahmen
in die nächste Legislaturperiode ist nicht zu akzeptieren.
Das hohe Ambitionsniveau des Sofortprogramms 2023 ist
grundsätzlich zu begrüßen, allerdings ist die Umsetzung der
Maßnahmen enorm voraussetzungsvoll. Die katastrophale
Kommunikation um die GEG-Novelle (Gebäudeenergiegesetz) muss hier ein mahnendes Beispiel sein.
Im Falle einer erwartbaren sektoralen Zielverfehlung darf es nicht
darum gehen, hektische ad hoc Maßnahmen umzusetzen,
die nicht durchdacht sind, die sozial- und verbraucherpolitisch blind bleiben, gesellschaftliche Akzeptanz untergraben und damit auch die klimapolitische Zielerreichung
gefährden können. Die Perspektive der Bürger*innen als
Beschäftigte und Verbraucher*innen muss immer mitbedacht werden. So lehnt die IG Metall etwa die Einführung
von oberflächlichen Schnellausbildungen im Bereich des
Handwerks oder der Installation von Windenergieanlagen im
Kontext des Fachkräftemangels entschieden ab.
Aufgrund der besonderen Verantwortung des Verkehrssektors sind die Beschäftigten im Organisationsbereich der
IG Metall besonders betroffen. Sowohl beschäftigungs- als
auch klimapolitisch sticht die Verantwortung der Automobilindustrie besonders hervor. Das mobilitätspolitische Leitbild der IG Metall fordert ein integriertes Mobilitätskonzept,
in dem die verschiedenen Verkehrsträger flexibel und
bedarfsgerecht ineinandergreifen. Die Elemente Verkehrsverlagerung, Vermeidung, Vernetzung und Antriebswechsel
müssen hier intelligent ineinandergreifen. Die Instrumente
des Sofortprogramms adressieren alle genannten Elemente,
allerdings als isolierte Einzelmaßnahmen - der integrierte
Blick fehlt. Für den Zeitraum bis 2030 sieht die IG Metall den
Antriebswechsel, also den Hochlauf der E-Mobilität, als
unmittelbar wirksamsten Hebel. Hier hat die Bundesregierung durch das verfrühte Absenken bzw. Einstellen der
Förderprämien eine positive Dynamik im Markt gestoppt und
damit ihr eigenes Ziel gefährdet, 15 Mio. E-Fahrzeuge bis
2030 in der deutschen PKW-Flotte zu haben. Auch der
Ausbau der Ladeinfrastruktur geht weiterhin zu langsam. Die
fragwürdige Modellpolitik der Hersteller kommt dazu,
bezahlbare E-Fahrzeuge deutscher Hersteller sind nicht in
Sicht. Auch die batterieelektrische Mobilität im Straßengüterverkehr hat ein gigantisches Potenzial der Reduktion on CO2. Die Fahrzeuge sind serienreif, doch die Ladeinfrastruktur lässt auf sich warten und die Kaufförderung für die
Spediteure ist unzureichend finanziert. Das Klimaschutzsofortprogramm gibt auf diese drängenden Fragen keine Antworten.

Es ist möglich, dass im Rahmen des fortgeschriebenen
Klimaschutzplans der politische Druck auf die sogenannten
klimaschädlichen Subventionen weiter erhöht werden wird.
Die Branchen der IG Metall sind hier an empfindlichen
Stellen betroffen (Automobilindustrie: Dieselbesteuerung,
Dienstwagenregelung, Entfernungspauschale; Stahl/ Aluminiumindustrie: Spitzenausgleich, Auslaufen der kostenlosen
Zuteilung von CO2-Zertifikaten). Aus Sicht der IG Metall ist
bei Modifizierung dieser finanziellen Unterstützungen
Augenmaß geboten. Eine stärkere Orientierung von KFZ-Steuer und Dienstwagenbesteuerung am CO2-Ausstoß ist
denkbar und sinnvoll. Eine einseitige Verteuerung fossiler
Kraftstoffe (etwa durch höhere Dieselbesteuerung) lehnt die
IG Metall aber ab, zu viele Menschen und kleine Gewerbe
sind noch auf absehbare Zeit von ihren Verbrennerfahrzeugen abhängig.
Eine ersatzlose Streichung des Spitzenausgleichs für energieintensive Unternehmen ist
gerade jetzt, angesichts der neuen Standortdebatte und angesichts der Notwendigkeit, immer mehr industrielle Bereiche zu elektrifizieren, kontraproduktiv.
Bei der Ergreifung dringend notwendiger Klimaschutzmaßnahmen müssen beschäftigungs- und sozialpolitische Effekte gleichermaßen berücksichtigt werden.

Letzte Änderung: 16.11.2023