Paul Hartmann - Verlagerung nach Polen

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19.10.2021 Hartmann lehnt Alternativplan des Betriebsrats endgültig ab

Hartmann-Mitarbeiter sind wütend und enttäuscht

Trotz aufgezeigten Risiken und einem Alternativplan durch die von Betriebsrat beauftragte Beratungsgesellschaft, bleibt Hartmann bei dem Entschluss die Wundfertigung in Heidenheim zu schließen und nach Polen zu verlagern

Wut, Enttäuschung, Frustration: So reagierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Wundmanagement-Produktion bei Hartmann auf die Nachricht, dass ihr Arbeitsbereich definitiv geschlossen werden soll, weil die Firma die Produktion nach Polen verlegt.

Bekannt gemacht hat die Firma dies am Freitag. In einer sofort angesetzten Abteilungsversammlung, zu der der Betriebsrat eingeladen hatte, konnten die Betroffenen ihren Unmut äußern und die jetzt drängendsten Fragen stellen. Die wichtigste war: "Wie geht es jetzt für uns weiter?", berichtet Birgit Herm-Grimm, Betriebsratsvorsitzende am Standort Heidenheim.

Beschränkt auf 120 Mitarbeiter?

Eine abschließende Antwort auf diese Frage gibt es momentan noch nicht, da die Verhandlungen über den Interessenausgleich und einen Sozialplan nun erst beginnen. Eigentlich betrifft dieser das gesamte Unternehmen und nicht nur die Mitarbeiter in der Wundmanagement-Produktion.

"Hartmann will allerdings keinen unternehmensweite Sozialauswahl treffen, sondern diese nur auf die 120 Mitarbeiter beschränken", sagte Ralf Willeck, Erster Bevollmächtigter der IG Metall bei der Versammlung. Dies könne das Unternehmen nur machen, wenn der Betriebsrat dem zustimme - oder, so Willeck, die Abfindungen für die Mitarbeiter seien so hoch, dass diese sich dafür entscheiden.

Fläche in Czestochowa gekauft

Hartmann hatte erstmals im April bekannt gemacht, dass die letzte Produktion am Stammsitz Heidenheim geschlossen werden soll. In Czestochowa hat Hartmann ein rund 70000 Quadratmeter großes Grundstück gekauft. Auf einer Fläche von etwa 17000 Quadratmetern soll das neue Werk gebaut werden. Die Maschinen dafür werden aus Heidenheim und vom Schweizer Standort Neuhausen dorthin verlagert, wo ebenfalls rund 40 Arbeitsplätze von der Veränderung betroffen sind.

Handlungsbedarf unbestritten

Seit Mai hatte ein Verhandlungsteam von Hartmann mit Arbeitnehmervertretern über die geplante Produktionsschließung verhandelt. Der Betriebsrat hat die Unternehmensberatung Kemper und Schlomski damit beauftragt, die Zahlen, die Hartmann vorgelegt hat, zu prüfen und alternative Vorschläge zu machen. "Wir bestreiten nicht, dass es einen Handlungsbedarf gibt", sagte Ralf Willeck.

Der Alternativvorschlag der Arbeitnehmerseite, basierend auf dem Gutachten von Kemper und Schlomski, sei gewesen, die Verlagerung nach Polen bis mindestens 2024 auszusetzen und in dieser Zeit die Produktion in Heidenheim zu optimieren. Danach hätte das Vorhaben neu bewertet werden können. "Das war die Brücke, die man Hartmann bauen wollte", so Willeck. Allerdings sei dies abgelehnt worden.

Risiken bei der Verlagerung

Laut dem Gutachten von Kemper und Schlomski ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Investition von 50 Millionen Euro für die Verlagerung refinanziert (return on investment), mit deutlich größer 10 Jahre, absolut inakzeptabel. Allein schon aus diesem Grund sei die Investition zu riskant und nicht rentabel, berichtete Willeck den betroffenen Arbeitenden.

Als Risiken nannte der Gewerkschafter beispielsweise die Baukosten in Polen, die dortige politische Lage, steigende Lohnkosten in Polen und Verzögerungen beim Umzug, sowie den notwendigen Bestandsaufbau. "Außerdem werden die Kunden werden auch nicht mehr denselben Preis für die Produkte bezahlen, wenn sie wissen, dass Hartmann günstiger in Polen produziert", ist sich Ralf Willeck sicher.

Wer baut den Warenbestand auf?

Der Gewerkschafter wies auch auf den Umstand hin, dass genau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nun mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes rechnen müssen, einen Warenbestand für die Zeit des Umzugs nach Polen aufbauen sollen. Das gehe nur mit Überstunden und Sonderschichten.

"Je fleißiger die Mitarbeitenden das machen, desto geringer wird das Risiko für Hartmann", so der Gewerkschafter in der Versammlung. Spöttisches Gelächter habe es an der Stelle gegeben, als er vom Wunsch der Geschäftsführung nach verpflichtenden Sonderschichten oder Überstunden berichtete.

Verhandlungen bis Ende November

Heute soll es drei Versammlungen geben, in denen die Geschäftsführung sich den Fragen der Mitarbeitenden stellt. Gesprächstermine mit dem Betriebsrat über Interessenausgleich und Sozialplan sind angesetzt für 25. Oktober und 9. November. Hartmann will die Verhandlungen bis Ende November 2021 beendet haben.

Letzte Änderung: 25.10.2021